Der Effekt wirtschaftlicher krisen auf FMCG

Veröffentlicht AM 25 03 2020

Blog Stephan Knäble – Managing Partner Germany

Stephan Knäble hat in den letzten Jahren Marketingstrategien der 50 größten Verbraucher- und Einzelhandelsunternehmen in Deutschland unterstützt. In früheren Wirtschaftskrisen verfolgte Stephan die Entwicklungen im Kaufverhalten. Er spricht regelmäßig über dieses Thema. Stephan ist seit mehr als 30 Jahren in der Marktforschung tätig und hat sich auf das Kaufverhalten spezialisiert.

Ein aktuelles Thema ist natürlich der Ausbruch des Coronavirus und dessen Auswirkungen auf den Alltag. Restaurants und Cafés schließen ihre Türen und immer mehr Geschäfte folgen diesem Beispiel. Was bedeutet das für unsere Wirtschaft? Und wie wirkt sich diese Krise auf die deutsche FMCG-Industrie aus? Obwohl wir das Ausmaß der Auswirkungen auf die Wirtschaft noch nicht kennen, ist es wichtig zu verstehen, was in früheren Krisen geschehen ist.

KRISE 2009 UND IHRE FOLGEN

Dies ist nicht die erste Krise, die unsere Wirtschaft trifft. Die Krise von 2009 ist ein Beispiel dafür: Die gesamte deutsche Wirtschaft sank im Vergleich zu 2008 um 5%, wodurch 6 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren und 15.000 Unternehmen bankrottgingen. Was waren die Folgen der Krise von 2009 für die deutsche FMCG-Industrie und ähneln sie in irgendeiner Weise der aktuellen Situation?

Hohes Einkommen (25% der Haushalte)
Zu dieser Zeit hatten Menschen mit hohem Einkommen und nachhaltigem Wohlstand ein geringes Risiko, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Diese Leute wechselten von mittelgroßen Marken zu Premium-Marken und entschieden sich für mehr Genussprodukte. Sie gingen nicht sehr oft aus und kochten lieber zu Hause. Währenddessen gaben Sie weniger für Reisen und langlebige Güter aus. Das Gesamtvolumen und die Produktausgaben dieser Gruppe in der FMCG-Branche nahmen weiter zu. Dies führte zu einem „trade up“ in der Kategorie; Menschen kauften Produkte, die teurer waren als die Produkte, die sie zuvor gekauft hatten.

Mittleres Einkommen (40% der Haushalte)
Von allen Gruppen befürchtete die Mittelschicht mit begrenztem Wohlstand die Arbeitslosigkeit am meisten. Sie wechselten zu Discounter Produkten und Werbeaktionen, kauften weiterhin Marken mittlerer Preisklasse, jedoch zu niedrigeren Preisen. Das Gesamtvolumen in der Kategorie dieser Gruppe wuchs, da die Menschen auch mehr Zeit zu Hause verbrachten. Ihre gesamten Produktausgaben waren jedoch stabil oder gingen sogar durch den Einkauf von Discounter- und billigeren Produkten zurück. Infolgedessen verlagerte sich die Kategorie des Handels auf dieselben Produkte, jedoch zu einem niedrigeren Preis.

Niedriges Einkommen (35% der Haushalte)
Die Gruppe mit geringerem Einkommen und ohne wesentlichem Vermögen hatte ein hohes Risiko der Arbeitslosigkeit. Sie wechselten vom Kauf mittelgroßer Marken zu Eigenmarken und Discountern. Das Gesamtvolumen der Produkte ging leicht zurück, mit einer Verschiebung zu ähnlichen, aber billigeren Kategorien für die gleiche Verwendung. Die Gesamtausgaben dieser Gruppe sind stark zurückgegangen. Als Folge davon durchlief diese Kategorie ein „trading down“; Menschen kauften Produkte, die billiger waren als die Produkte, die sie zuvor gekauft hatten.

Gewinnende Marken
Während dieser Zeit führten die siegreichen FMCG-Marken einen antizyklischen Marketing-Mix ein. Sie gaben mehr Werbegelder für Branding, Innovation, Discounter-Angebote und Push-Bundle-Promotions aus, wie z.B. 2 zum Preis von 1. 2009 gingen die Gesamtausgaben in der Kategorie um 1% zurück, geringer als in allen anderen Branchen.

2020 Krise

Trotz der ermutigenden Zahlen von 2009 ist die Covid-19-Krise unvergleichlich. Von dem was im März begann, weiß niemand genau, wann es enden wird. Die Verhaltensmuster sind völlig anders als bei früheren Wirtschaftskrisen. Für das Jahr 2020 wird eine dramatische Rezession erwartet, ähnlich zu dem, was der Wirtschaft in 2009 passierte. Die Situation, in der wir uns derzeit befinden, ist jedoch bei weitem nicht vergleichbar. Jetzt wo Menschen in Panik geraten, werden die meisten Marken in dieser Kategorie ihre Ziele in den ersten 3 Monaten übertreffen. Zusätzlich gibt es durch die Auswirkungen der aktuellen und zukünftigen Ausgangssperren einen stärkeren Heim-Effekt. Die Menschen machen sich Sorgen um ihre Gesundheit, und es gibt viel mehr E-Commerce als noch vor 10 Jahren. Die Einkommenskluft zwischen den Zielgruppen ist jedoch viel größer als 2009.

Die ersten Ergebnisse der DVJ Insights Umfrage zum Kaufverhalten zeigen, dass Menschen mehr im Supermarkt kaufen. Nicht nur durch Hamsterkäufe, sondern auch, weil das Aus- und Essengehen durch zu Hause Kochen und Essen ersetzt wird. Und wie wir aus früheren Krisen gelernt haben, wollen sich die Menschen manchmal auch selbst ein Geschenk gönnen.

WAS STEHT UNS BEVOR?

Was können wir von dem Rest des Jahres erwarten? Meine Vorhersage ist, dass Premium-Marken bei stabilen Einnahmen Marktanteile gewinnen werden. Marken mittlerer Größe werden bei sinkenden Einnahmen wahrscheinlich Marktanteile verlieren. Preis-Leistungs-Marken werden ebenfalls einen wachsenden Marktanteil bei steigenden Einnahmen haben. Die allgemeine Unsicherheit kann diese Auswirkungen noch verschärfen. Es ist ein Szenario, das wir noch nie erlebt haben, wer weiß also, was letztendlich mit der FMCG-Industrie, der Wirtschaft, und unserem täglichen Leben geschehen wird.

Auch für mich bleibt es interessant, die Forschung von DVJ über die Auswirkungen auf die allgemeine Einstellung der Menschen im Zusammenhang mit ihrer Ausgabenbereitschaft zu verfolgen.