Dr. Martin Bergmann – Beiersdorf AG
Veröffentlicht AM 04 06 2021Dr. Martin Bergmann ist CMI Manager bei der Beiersdorf AG und verantwortlich für die Marktforschungsprojekte in Europa. Zu seinen Hauptaufgaben zählen, neben der Durchführung von ad-hoc und quantitativen Projekten, die strategische Marketingberatung und das Aufzeigen von Wachstumsmöglichkeiten. Die Beiersdorf AG ist ein börsennotierter weltweit tätiger deutscher Konsumgüterkonzern mit Sitz in Hamburg. Seit 1882 steht der Name Beiersdorf für innovative Hautpflege. Das Geheimnis des Erfolgs besteht seit jeher in der starken Innovationskraft und der konsequenten Weiterentwicklung der einzigartigen Marken und Produkte. Die Markenprodukte von Beiersdorf wie Nivea, Tesa, Labello, Eucerin und Hansaplast sind weltweit bekannt und erfolgreich und das in mehr als 200 Ländern rund um den Globus.
KPIs für Brand Growth
Bei Beiersdorf gibt es relativ viele und ganz unterschiedliche KPIs für Markenwachstum, erzählt Dr. Martin Bergmann. Dabei ist es wichtig, dass man zwischen Marke und Wachstum differenziert: „Wir haben ein Set an Items definiert, auf denen wir besonders gut performen wollen, sozusagen der Kern der Marke. Ein Teil dieser Items ist darauf ausgerichtet, dass wir uns von Wettbewerbern differenzieren, die anderen KPIs für unsere Marke sind z.B. Image-Dimensionen, Brand Strength und der Markenwert, aber auch der Net Promoter Score, der häufig diskutiert wird. Sonstige KPIs, die getrackt werden, sind z.B. Innovationsraten, aber wenn es ganz konkret um Wachstum geht, dann sind die wert- und mengenmäßigen Marktanteile am wichtigsten, ebenso wie Penetration und natürlich die Profitabilität. Was auch getrackt wird sind Nachhaltigkeit und der CO2 – Fußabdruck, da sie im weitesten Sinne auch was mit Wachstum zu tun haben. Denn wenn man langfristig denkt, hofft man natürlich, dass sie in der Zukunft auch einen Einfluss auf die Markenwahrnehmung haben werden und damit den Markenwert stärken werden.“
„Wenn es ganz konkret um Wachstum geht, dann sind die wert- und mengenmäßigen Marktanteile am wichtigsten, ebenso wie Penetration und natürlich die Profitabilität. Aber wenn man langfristig denkt, haben Nachhaltigkeit und der CO2 – Fußabdruck im weitesten Sinne auch was mit Wachstum zu tun.“
Der wichtigste Wachstumstreiber
Für Dr. Martin Bergmann ist Penetration der wichtigste Wachstumshebel und Marken wachsen, indem sie Käufer dazu gewinnen. Penetration ist jedoch das Ergebnis verschiedener Maßnahmen und die Herausforderung besteht darin, herauszufinden, welche Maßnahmen die richtigen sind, um die Marke weiter voranzutreiben und noch mehr Konsumenten zu gewinnen: „Wir haben mit Nivea eine Marke, die schon sehr besonders ist. Das ist eine Marke, die in unglaublich vielen Kategorien präsent ist und die in vielen europäischen Ländern eine unglaubliche Bekanntheit hat. Wir sind, hinter Coca-Cola, die am zweithäufigsten gekaufte Marke in Europa und wir haben die zweithöchste Haushaltspenetration mit knapp über 50 %. Wir sind bereits eine ganz starke Marke. Da stellt sich die Frage, was sind die richtigen Maßnahmen, um uns dennoch weiterzuentwickeln?“
Es gibt viele interessante Theorien und Ideen, wie z.B. das Exzessive Share of Voice, findet Dr. Martin Bergmann, aber man muss für jede Marke prüfen, welchen Ideen tatsächlich funktionieren: „Es ist ein Lernprozess, und wir sind alle in diesem Lernprozess noch drin. Dieser Ansatz, dass Penetration ein wichtiger Hebel ist, hat sich in vielen Unternehmen durchgesetzt. Aber dahinter hängen noch weitere KPIs und letztendlich eine gesamte Denkschule und neue Denkansätze, das muss man erst einmal verstehen. Mark Ritson nennt zehn Punkte, die die Effektivität steigern, und letztendlich muss man sich mit jedem dieser Punkte auseinandersetzten – was heißt es für uns? Als Unternehmen muss man auf diese Reise gehen und sich damit auseinandersetzten und dann im zweiten Schritt, wenn man die richtigen KPIs gefunden hat, diese auch implementieren.“
„Man muss für jede Marke prüfen, welchen Ideen tatsächlich funktionieren.“
Data-Driven Decision Making
Der Großteil der Entscheidungen bei Beiersdorf ist datenbasiert, vor allem auf Vorstandsebene arbeitet man viel mit Daten und trifft Entscheidungen auf Grund von Daten, aber auch die Sales-Abteilung ist sehr datengetrieben. Im Marketing, mit Ausnahme von Digital Marketing, ist man es weniger gewohnt mit Daten zu arbeiten. Hier ist man eher kreativ und beschäftigt sich damit, neue Konzepte und Ideen zu entwickeln. „Es muss eine Balance geben, man muss datenbasiert arbeiten, aber man muss auch Kreativität haben, denn die guten Ideen und Konzepte entstehen aus der Kreativität heraus.“, erklärt Dr. Martin Bergmann.
„Es muss eine Balance geben, man muss datenbasiert arbeiten, aber man muss auch Kreativität haben, denn die guten Ideen und Konzepte entstehen aus der Kreativität heraus.“
Erfolgsfaktoren und Fallstricke
Die Arbeit mit Daten bringt auch einige Herausforderungen mit sich, findet Dr. Martin Bergmann. Zum einen ändern sich die KPIs und die Methoden und zum anderen muss auch die Strategie angepasst werden, aber die Interpretation und das Verstehen der Daten ist nicht ganz einfach: „Wir haben in den letzten Wochen beobachtet, dass es einen Trend zur DIY-Marktforschung gibt, das finde ich äußert problematisch. Man kann das mit einem Handwerk vergleichen, man muss es gelernt haben. Theorien wie Double Jeopardy Law oder Duplication of Purchase Law sind nicht einfach zu verstehen und wenn man es nur oberflächlich macht, kann man auch die falschen Schlussfolgerungen daraus ziehen.“
„Viele denken, es wäre einfach sowohl Marktforschung aufzusetzen als auch Daten zu interpretieren, aber es ist gar nicht so einfach.“
Eine weitere Herausforderung ist die Wahl der richtigen Daten und die Zusammenführung unterschiedlicher Datenquellen: „Das ist ein Weg, den wir noch gehen müssen, wir müssen uns auf ein Datenset einigen. Wir haben sehr viele Daten, gefühlt fast schon zu viele, und man muss gucken, was die richtigen Daten für die Entscheidungen sind, die man treffen möchte. Daten, die wissenschaftlichen Kriterien doch nicht genügen, muss man außen vor lassen, und das ist eine schwierige Entscheidung. Wir sind gerade dabei, die Daten miteinander zu verknüpfen. Im Moment gibt es noch unterschiedliche Datenquellen, aber wenn man sie alle zusammenführt, ist natürlich die Frage, wie wird man weiter damit vorgehen? Wer soll mit diesen Daten letztendlich arbeiten dürfen? Es ist eine Herkulesaufgabe.“
„Daten, die wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen, muss man außen vor lassen“
Die neue Rolle der Marktforscher
Das Rollenprofil der Marktforscher verändert sich stark, beobachtet Dr. Martin Bergmann. Seiner Meinung nach sollten Marktforscher die Zukunft des Unternehmens mitgestalten: „In der Vergangenheit hatten sie eher eine unterstützende Funktion, aber durch die vielen Daten geraten sie eher in die Rolle von Consultants. Der Mehrwert der Marktforschung besteht nun darin, dass sie dabei helfen, aus den Daten Sinn zu machen. In Unternehmen sollten Marktforscher eine höhere Stellung haben, um mit den wichtigen Stakeholdern zu sprechen und ihnen die Daten an die Hand zu geben.“
Spannende Zeiten
Das Thema „Data-Driven Decision Making“ wird noch viel relevanter werden, glaubt Dr. Martin Bergmann: „Viele Unternehmen sind noch gar nicht up-to-date, wenn es um DDDM geht, und viele Unternehmen werden sich noch auf diese Reise begeben müssen. Auch Beiersdorf ist noch auf dieser Reise. Wir werden viele Dinge ausprobieren müssen, um zu sehen, ob die für uns Sinn machen. Ich beobachte immer was Mars macht, denn ich glaube Mars ist extrem weit vorn. Sie haben vor ca. acht Jahren angefangen in die Richtung DDDM zu gehen und haben ein großes Programm gestartet, dabei sind ganz tolle Sachen rausgekommen. Auch Tchibo ist sehr weit vorne und beschäftigt sich mit den richtigen Themen. Es sind spannende Zeiten, was da gerade passiert. Ich hoffe, dass wir auch bei Beiersdorf uns schnell in diese Richtung entwickeln werden.“