Länderübergreifende Kampagnen: Globalisieren oder lokalisieren?

Veröffentlicht AM 29 04 2022

Werbekampagnen in Massenmedien oder zielgruppenspezifischen Medien sind wichtige Instrumente, mit denen Unternehmen die Marktperformance ihrer Marken verbessern können. Im Grunde zielt jede Kampagne darauf ab, das Kaufverhalten der Verbraucher (und damit den Absatz) zu fördern, sei es direkt oder indirekt durch den Aufbau eines positiveren Markenimages. Vor dem Hintergrund unserer zunehmend vernetzten Welt erkennen Unternehmen jeder Größe: Kampagnen, die in einem Land gut funktionieren, erzielen nicht unbedingt in allen Märkten die gleiche Wirkung. DVJ Insights hat eine Vielzahl von Werbungen für internationale Firmen getestet und festgestellt, dass es in den Märkten erhebliche Unterschiede in der Einstellung zur Werbung gibt. Warum funktionieren humorvolle Werbekampagnen in einem Land, während sie in einem anderen scheitern? Warum spielen Glaubwürdigkeit und Relevanz in manchen Ländern eine große Rolle, in anderen kaum eine?

Die Wahrnehmung der Verbraucher prägt das Kaufverhalten

Ein wichtiger Indikator für die Werbewirksamkeit im Hinblick auf das (veränderte) Kaufverhalten ist die Wahrnehmung der Werbung durch die Verbraucher. Diese wiederum wird von verschiedenen Faktoren wie Sympathie, Unterhaltungswert, Wiedererkennungswert, Objektivität, Relevanz und Verständlichkeit beeinflusst. Zusammen betrachtet bestimmen diese Faktoren, ob ein Verbraucher eine Werbung ansprechend findet und daran interessiert ist, das beworbene Produkt zu kaufen.

Allerdings werden die einzelnen Faktoren dabei unterschiedlich stark gewichtet. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Bedeutung, die den einzelnen Faktoren zukommt, von Verbraucher zu Verbraucher unterschiedlich sein kann.

So neigen beispielsweise Frauen dazu, sich intensiver mit der zentralen Botschaft einer Kampagne auseinanderzusetzen als Männer. Ältere Verbraucher reagieren auf emotionale Werbung stärker als auf sachliche, während jüngere Verbraucher in dieser Hinsicht keine klare Präferenz zeigen. Dies ist auf die unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Verbrauchergruppen zurückzuführen. Neben soziodemografischen Faktoren spielt auch die Kultur (eines Landes) eine wichtige Rolle. Jede Kultur bringt ihre eigenen Werte und Überzeugungen mit sich, was wiederum Einfluss darauf hat, welche Aspekte Aufmerksamkeit erhalten und was Angehörige dieser Kulturen schätzen oder eben nicht. Es scheint daher plausibel, dass kulturelle Unterschiede auch eine Rolle dabei spielen, welche Wahrnehmungsfaktoren nun einen größeren oder kleineren Einfluss auf die (Kauf-)Reaktion der Verbraucher haben.

EINE LÄNDERÜBERGREIFENDE STUDIE ZUR WERBeWirkung

Um die relative Bedeutung der einzelnen Faktoren zur Werbewahrnehmung in verschiedenen Ländern besser zu verstehen und zu beurteilen, inwieweit dies durch den kulturellen Hintergrund eines Landes bedingt ist, führte DVJ Insights eine groß angelegte Online-Umfrage unter rund 27.000 Befragten aus 30 verschiedenen Ländern durch. Den Teilnehmenden wurden vier TV-Werbespots gezeigt, die kurz davor in dem jeweiligen Land ausgestrahlt wurden. Anschließend sollten sie ihre Wahrnehmung des Spots in Bezug auf Aspekte wie Sympathie, Übereinstimmung mit dem Markenimage, Relevanz, Verständlichkeit usw. angeben. Auf diese Weise wurden Daten darüber gewonnen, wie die Werbespots im Hinblick auf die verschiedenen Wahrnehmungsfaktoren abschnitten. Außerdem wurde gefragt, inwiefern der TV-Werbespot zu einer positiveren (kognitiven, affektiven und/oder verhaltensbezogenen) Wahrnehmung der beworbenen Marke führte. Dies wiederum ergab Daten darüber, wie die Werbespots in Bezug auf die erwartete Marktperformance abschnitten.

Neben demografischen und psychografischen Variablen (d. h. Geschlecht, Alter und generelle Einstellung zu Werbung), die bereits im Rahmen der Umfrage erhoben wurden, erweiterten wir unser Dataset mit Informationen über das (nationale) kulturelle Profil des jeweiligen Wohnsitzlandes der Befragten. Dabei haben wir uns an den bekannten Kulturdimensionen nach Geert Hofstede orientiert. Das Modell weist Ländern auf der Grundlage von Umfragedaten eine (relative) Punktzahl für sechs verschiedene Dimensionen zu:

  • Power Distance: das Ausmaß, in dem Mitglieder einer Gesellschaft, die über weniger Macht verfügen, erwarten und akzeptieren, dass Macht ungleichmäßig verteilt ist
  • Individualism: das Ausmaß, in dem Mitglieder einer Gesellschaft lose (statt enge) soziale Bindungen bevorzugen und von ihnen erwartet wird, dass sie nur sich selbst und ihren eigenen Haushalt versorgen (statt einen breiter definierten Familien- und Freundeskreis)
  • Masculinity: das Ausmaß, in dem eine Gesellschaft Durchsetzungsvermögen über Bescheidenheit, Konkurrenz über Kooperation, Heldenhaftigkeit über die Fürsorge für schwächere/benachteiligte Personen und materielle Werte über Lebensqualität stellt
  • Uncertainty Avoidance: das Ausmaß, in dem sich Mitglieder einer Gesellschaft mit unbekannten und unsicheren Situationen unwohl fühlen und auf starre Regeln und Prinzipien setzen (anstatt die Situation gelassen hinzunehmen), um die Situation möglichst kontrollierbar zu machen
  • Long-Term Orientation: das Ausmaß, in dem Mitglieder einer Gesellschaft bereit sind, Dinge anzupassen und zu verändern, um sich auf die Zukunft vorzubereiten (anstatt an alten Traditionen und Werten festzuhalten)
  • Indulgence: das Ausmaß, in dem eine Gesellschaft ihren Mitgliedern gestattet, Bedürfnisse frei auszuleben und ihr Leben genussorientiert zu gestalten (anstatt regulierend und/oder unterdrückend einzugreifen)

Vorrangig sollte in dieser Studie herausgefunden werden, ob die spezifische Gewichtung der einzelnen Dimensionen bei der Bestimmung der Werbewirkung auf das kulturelle Profil des Landes zurückzuführen ist, in dem ein Verbraucher lebt.

Berücksichtigung lokaler Feinheiten in einer globalen Werbestrategie

Die Datenanalyse ergab klare Zusammenhänge zwischen den Kulturdimensionen nach Hofstede und der Werbewirkung. Tabelle 1 zeigt die Interaktionskoeffizienten zwischen den fünf Dimensionen der Werbewahrnehmung mit dem größten Einfluss auf die Kaufabsicht und den sechs Kulturdimensionen nach Hofstede. Ein deutlich positiver Koeffizient bedeutet, dass die relative Bedeutung der entsprechenden Dimension der Werbewahrnehmung in den Ländern zunimmt, in denen die entsprechende Hofstede-Dimension stärker ausgeprägt ist. Bei stark negativen Koeffizienten nimmt diese Bedeutung ab.

Table 1: Interaction effects between advertisement-attitude dimensions and Hofstede cultural dimensions

Tabelle 1: Interaktionseffekte zwischen den Dimensionen der Werbewahrnehmung und den Kulturdimensionen nach Hofstede

.000 Statistisch signifikant positiver Zusammenhang (unter 99-%-Konfidenzniveau)
.000 Statistisch signifikant negativer Zusammenhang (unter 99-%-Konfidenzniveau)

Gleichzeitig hat die Studie auch gezeigt, dass es selbst in sehr unterschiedlichen Ländern eine klare Hierarchie in der Rolle gibt, die verschiedene Dimensionen der Werbewahrnehmung (bei der Bestimmung der letztendlichen Auswirkung auf das Kaufverhalten) spielen. Wir fanden heraus, dass von den neun Dimensionen, die wir in unsere Analyse einbezogen hatten, die Dimensionen Excitement (die Fähigkeit der Werbung, den Betrachter zu stimulieren und/oder positiv zu stimmen) und Relevance (das Ausmaß, in dem die Werbung eine Botschaft vermittelt, die für Betrachter relevant ist und/oder persönlichen Interessen entspricht) grundsätzlich auf Platz 1 oder Platz 2 landeten, was die relative Bedeutung angeht. Diese beiden Dimensionen haben zusammen genommen durchweg eine hohe Aussagekraft. Sie entscheiden, ob eine Anzeige im Hinblick auf die Kaufaktivierung gut oder schlecht abschneidet. Für Marketer sind dies aufschlussreiche Erkenntnisse. Unabhängig vom Zielland sollte eine Kampagne also grundsätzlich von der Zielgruppe als „exciting“ und relevant wahrgenommen werden.

Ein lohnendes Unterfangen

Dennoch bestehen darüber hinaus erhebliche Unterschiede zwischen Ländern. Zwar sind Begeisterung und Relevanz immer die beiden wichtigsten Dimensionen in Bezug auf die relative Bedeutung. Jedoch reicht ihre kombinierte Aussagekraft (in Bezug auf die neun Dimensionen insgesamt) von ± 30 % bis zu ± 60 %. Und in Ländern, in denen diese Dimensionen ein eher kleines Puzzleteil darstellen, gewinnen logischerweise andere umso mehr an Bedeutung. Unsere Studie hat gezeigt, dass landesspezifische Unterschiede in der Rolle, die die einzelnen Dimensionen der Werbewahrnehmung spielen, zumindest teilweise auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen sind. Im Vergleich zu westlichen bzw. westlich orientierten Ländern, die stärker zu Individualismus neigen, lassen sich Menschen in eher kollektivistischen (z. B. östlichen) Ländern weniger vom Grad der Begeisterung und Relevanz einer Werbung leiten. Sie legen bei ihren Entscheidungen überdurchschnittlich viel Wert auf den Markenfit und die Glaubwürdigkeit. Unsere Studienergebnisse bedeuten zwar nicht unbedingt, dass globale Marken für verschiedene Länder und Kulturen eine völlig andere Werbestrategie benötigen. Dennoch sollte bei der Anpassung der Schnittfassung einigen Aspekten möglicherweise etwas mehr (oder weniger) Aufmerksamkeit eingeräumt werden. Da Glaubwürdigkeit, Markenfit und Relevanz oft schon durch das Hinzufügen, Entfernen oder Umstellen bestimmter Szenen beeinflusst werden können, kann es sich durchaus lohnen, in einer globalen Werbestrategie lokale Feinheiten zu berücksichtigen.

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